Juraj Hurný

Picture of Juraj Hurný

Picture of Juraj Hurný

Juraj Hurný sings Simon Boccanegra: Cielo pietoso, rendila

Juraj Hurný singsLa bohème: Che gelida manina

Juraj Hurný singsRequiem: Ingemisco

Juraj Hurný sings Zefiro, torna (Monteverdi), with Peter Dvorský
Dvorský is starting "zefiro, zefiro", Hurný echoes "zefiro, torna"; further on, Hurný is the "true" tenor, and Dvorský takes the part of the baritenore.

Hurný was born on May 3rd, 1948 in Humenné (Slovakia), studied first at the Bratislava conservatory with the same teacher (Ida Černecká) who trained Peter and Miro Dvorský; then, Hurný moved on to further studies in Palermo with Gina Cigna.

He was a member of the Bratislava National Theater from 1972 to 1977, with guest appearances in Prague and in the Soviet Union; in 1977, his escape to Austria befell that is described in detail in the below German article (from a book with portraits of people who came to Austria as political refugees); since 1978, he was a member of the Graz opera house, and for a long time, he was the first tenor there, singing more or less everything from Nemorino to Pollione; mainly Italian repertoire, though, with some French and just few German (operatic) roles, plus some operetta. He made guest appearances at the Vienna Staatsoper, in Munich, Barcelona, Zürich, among others, but not too many; he never dared to leave the Graz ensemble, being extremely nervous about his and his family's future (he was always struggling with his nervosity, also on stage, his constitution obviously being a result of his treatment in communist Czechoslovakia). For the last ten or so years of his career, he continued to sing comprimario parts in Graz. He retired in 2013.

He was an extraordinarily convincing stage actor, and for a house like Graz, his continuous presence was a gift from heaven in his younger years – he was a clearly better leading tenor than to be expected from a theater like that, and he was certainly not the worst pupil of that Bratislava teacher...

1977: Juraj Hurný

Strafversetzt in den Opernchor


Die Gute-Nacht-Geschichten, die Juraj Hurnýs Mutter erzählte, waren keine Märchen – sondern Opern. In der Oper hatten sich die Eltern kennen gelernt, in der Oper hatten sie ihre ersten Rendezvous gehabt.
Doch trotz aller Liebe der Mutter hatte Hurný keineswegs eine behütete Kindheit. Der Vater war in Haft, seit der Sohn zwei Jahre zählte. Nur einmal pro Jahr durften sie ihn besuchen, für höchstens zehn Minuten; der Vater war dabei an Händen und Füßen gefesselt und von Polizisten mit MPs bewacht. Er war im Zweiten Weltkrieg Offizier der unabhängigen, mit Nazideutschland verbündeten Slowakei gewesen. Als die Kommunisten ans Ruder kamen, quittierte er als tiefreligiöser Katholik den Dienst. 1950 wollte sein Freund aus der ČSSR flüchten – und wurde abgefangen. Hurný senior wurde als Mitwisser wegen Hochverrats verurteilt, weil er den Freund nicht angezeigt hatte. Er erhielt zwölf Jahre, von denen er zehn absaß: als Zwangsarbeiter im Uranbergbau.
Juraj sollte als kleiner Bub der Mutter weggenommen werden; nur weil der beauftragte Polizist ein gutes Herz hatte, brachte er die Amtshandlung nicht zu Ende. Das Kind hatte noch jahrelang Angstzustände und böse Träume.
Weil sich die Mutter nicht scheiden lassen wollte, verlor sie regelmäßig den Job. Es wurde dafür gesorgt, dass sie stets nur weit weg eine neue Stelle fand, ständige Übersiedlungen kreuz und quer durch die Tschechoslowakei waren die Folge.
Der Vater kam als Invalide frei, kaum arbeitsfähig. Die Geheimpolizei pflegte häufig die Wohnung zu durchsuchen: "Nicht um etwas zu finden, nur um uns zu erniedrigen", sagt Juraj Hurný. 1968, im Prager Frühling, wurde der Vater rehabilitiert.
Aber die Hurnýs waren stigmatisiert. Nur mit großer Mühe wurde der Sohn ans Konservatorium zugelassen: Er hatte das Zeug zu einem erstklassigen Tenor. 1973, mit 25 Jahren, debütierte er am Nationaltheater von Bratislava. Mit einer List gelang es ihm, die Freigabe für weitere Gesangsstudien in Italien zu bekommen.
1975 kehrte er heim und machte nun sehr rasch Karriere. Gastspiele in Prag, Opernfilme, Rundfunkauftritte: "Mehr war in der ČSSR nicht zu erreichen." Aber schon bald wurde Hurný gedrängt, der Partei beizutreten. Er lehnte empört ab: "Das wäre gewesen, als hätte ich meinem Vater eine Ohrfeige gegeben."
Von nun an ging plötzlich alles schief: Eine Schallplatte und ein TV-Porträt wurden abgesagt, Gastspiele nicht mehr genehmigt. Die Geheimpolizei kam wieder regelmäßig zu den Hurnýs zu Gast. Und im Januar 1977 wurde der aufstrebende junge Tenor gar in den Chor versetzt – strafweise.
Rasch war der Entschluss zur Flucht gefasst. Im Frühjahr 1977 fand in Wien die Eishockey-WM statt; Vater und Sohn Hurný erwirkten eine Ausreisegenehmigung, um ein paar Spiele anzuschauen. Aber sie fuhren nicht und sparten das Visum auf. Als im Herbst auch die Mutter eines bekam, um in Wien Verwandte zu besuchen, brachen sie auf – getrennt, um nicht aufzufallen, und mit ganz wenig Gepäck.
Schon nach vier Wochen, noch vor der Asylgewährung, debütierte Hurný im Wiener Musikverein, bald auch an der Staatsoper. Mit Anfang 1978 nahm er ein Engagement nach Graz an. Eine große Karriere zu versuchen, wagte er nicht: Er musste Eltern, Frau und zwei Kinder erhalten, darum blieb er – bis heute – auf dem sicheren Posten in Graz. Dort hat er alles gesungen, was es im italienischen Fach an Hauptrollen zu singen gab. (Anmerkung des Autors, der ebenfalls Opernnarr ist: Der Don Carlo, der Alvaro oder der Pollione Hurnýs hätten auch weit renommierteren Bühnen zur Zierde gereicht.)
In der Slowakei vergaß man ihn nicht: Seine Flucht war ein großer Skandal gewesen, Radio und Zeitungen hatten ihn als Verräter gebrandmarkt, wegen Republikflucht wurde er zu eineinhalb Jahren verurteilt, seine Rundfunkaufnahmen wurden gelöscht. 1989 erlebte er auf Einladung des slowakischen Bürgerforums die letzte Großdemonstration mit, die es in Bratislava gegen das KP-Regime gab. Er sollte eine Rede halten und auch singen. Aber er konnte nicht: "Die Eindrücke waren zu groß, ich bekam einen Weinkrampf."
Ein paar Jahre später boten die slowakischen Christdemokraten ihm eine politische Funktion an. Er konnte sich nicht entschließen: "Es war noch zu schön auf der Bühne." Aber für die Zukunft will er nichts ausschließen: "Ich habe beides in meinem Horoskop: die Kunst und die Politik."
Robert Schlesinger

from: Robert Schlesinger/Melita H. Šunjić: Flucht nach Österreich. Die Zweite Republik in Flüchtlingsporträts, Wien 2001


Go Home